Die Wüste lebt

Beim umweltschonenden Weinbau wird der Weinberg in das natürliche Ökosystem integriert. Heutzutage spielen bei der Planung eines neuen Weinbergs deshalb auch Themen wie Artenschutz und Artenvielfalt eine große Rolle. Das hat im Übrigen keine ideologischen, sondern ein ganz praktische und weinbauliche Gründe.

Was kaum jemand weiß: Wenn der Weinberg neu gepflanzt wird, ist die Fläche praktisch eine ökologische Wüste. Durch Erdbewegungen und Tiefenlockerung wird radikal in die Bodenstruktur und das vorhandene Ökosystem eingegriffen. Wenn die Weinstöcke gepflanzt sind, wächst auf der Fläche eben erst mal nichts anderes als Reben. Das ist bei einem frisch eingesäten Getreide- oder Gemüsefeld auch nicht anders.

Die massiven Eingriffe in die Topografie sind notwendig, um die spätere umweltschonende Bewirtschaftung überhaupt zu ermöglichen. Auf chemische Unkrautvernichtungsmittel kann man verzichten, wenn Weinbergsarbeiten weitgehend mechanisiert werden. Es ist beispielsweise sehr hilfreich, wenn die Fahrgasse des Traktors eine einheitliche Steigung hat. Damit wird auch der Eintrag von biologischen Düngern möglich. Synthetische Mineraldünger werden überflüssig.

Um die Rebstöcke tief zu pflanzen und das Anwachsen in einem lockeren Boden zu ermöglichen, ist ebenfalls ein massiver Eingriff in den gewachsenen Boden notwendig. Ein tiefengelockerter Boden ist alles andere als ein vielfältiger Lebensraum. Diese Vielfalt muss zügig wieder hergestellt werden, um überhaupt Weinbau betreiben zu können.

Wenn die Rebstöcke angewachsen sind, sollte es aus biologischer Sicht ganz schnell wieder bergauf gehen und für die nächsten 50 Jahre auf höchstmöglichen Niveau bleiben. Die natürlichen Stoffkreisläufe kommen wieder in Gang. Die natürliche Flora siedelt sich wieder zwischen den Rebstöcken an. Deshalb verwenden wir keine Herbizide, um das zu unterbinden. Den Pflanzen folgen die Tiere. Zuallererst nützliche Insekten. Wir setzen daher auch keine Insektizide ein, die diese Nützlinge im Weinbau töten würden. Schädlinge für die Rebe wie der Traubenwickler, die Rebzikade oder die rote Spinne sind in unseren Weinbergen immer unterhalb der tolerierbaren Schadschwelle. Das ist das Verdienst der Raubmilben, Wespen, Florfliegen und der Radnetzspinnen. Dieses hilfreiche Umfeld im jungen Weinberg soll sich möglichst schnell etablieren. Deshalb werden Flächen für die natürliche Standortflora und -fauna beim Konzept eines Weinberges direkt mit eingeplant. Ein Blühstreifen in der Hauptwindrichtung, damit Samen und Insekten in den Weinberg eingetragen werden, wirkt Wunder. Genauso beeinflussen alte, umweltschonend bewirtschaftete Weinberge in der Nachbarschaft die neue Pflanzung.

Das weinbauliche Ziel deckt sich also während er langen Standzeit des Weinberges mit den ökologischen Anforderungen. Wenn sich dann in unseren Weinbergen noch verstärkt streng geschützte Arten wie die Gottesanbeterin, die Würfelnatter oder selten Orchideen ansiedeln, ist dies ein schöner zusätzlicher Aspekt.