RIESLING LEBT!

Seit mehr als zwanzig Jahren bin ich Winzer. In unserem Familienweingut bauen wir fast ausschließlich Riesling an, der nationale und internationale Spitzenbewertungen erzielt. Seit ich mich mit Weinbau beschäftige wird dem deutschen Riesling regelmäßig das Sterbeglöckchen geläutet. Mal sind es die sich ändernden Trinkgewohnheiten der Menschen, die “Easy Drinking” aus fernen Ländern bevorzugen. Mal soll es das altbackene Image des Rieslings sein, das die Umsätze zurückgehen lässt. Nun ist es der Klimawandel, der uns veranlassen soll, jahrzehntealte Rieslingreben zugunsten neuer Rebsorten aus dem Boden zu reißen. Ja: der immer früher einsetzende Austrieb erhöht das Ausfallrisiko durch Frostschäden. Auch Extremwetterlagen und Schädlingsbefall schmälern die Erträge. Riesling war aber noch nie ein “einfacher” Wein. Und auf schlechte folgten auch schon in der Vergangenheit Spitzenjahrgänge. Riesling steht in einer immer globalisierter werdenden Welt vor allem für eines: für unsere Heimat, für unsere Geschichte und Kultur, für eine besondere Form von Erdung im wörtlichen Sinne. Ohne Riesling werden wir austauschbar, eine von vielen Weinerzeugungsregionen weltweit. Eine vinologische Shoppingmall ohne Authentizität statt einer einzigartigen Altstadt mit Geschichte. Deshalb kämpfe ich dafür, unsere Wein-Identität zu erhalten. Das heißt nicht, in der Historie gefangen zu sein. Ich habe Tradition schon immer mit Innovation verbunden. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen, aber nicht mit Trauergesängen, sondern Selbstbewusstsein, Heimatverbundenheit und Kreativität. Dann wird Riesling auch noch in Jahrzehnten Teil unseres Lebens sein. (Text © by Dr. Martin Tesch | Foto © by Dr. Martin Tesch)