„Wer ist der grimmige Mann auf dem Etikett?“

Bei einer Weinprobe in England wurde die Frage noch drastischer formuliert: „Why is Dracula on the label?“. Aber das Ölgemälde zeigt nicht den Fürsten der Finsternis, sondern
Martin Müller II (1800 bis 1878), der unser Weingut im 19. Jahrhundert geführt hat. Später schmückt das Porträt unseres Vorfahren die Geschäftspapiere, heute auch die Homepage und diesen Newsletter des Weinguts.
Für uns haben Martin Müller und das Gemälde eine große Bedeutung. Wir wissen recht viel über das Leben des Vorfahren. Geboren wurde er als französischer Staatsbürger, denn von 1798 bis 1815 gehörte unsere Heimat als „Département Rhin et Moselle“ zur Republik Frankreich. Es wurden eine gut funktionierende zivile Verwaltung aufgebaut und viele strukturelle Reformen im Weinbau durchgeführt. Das waren wichtige Voraussetzungen für die goldenen Jahrzehnte des deutschen Weinbaus im 19. Jahrhundert, also genau die Zeit, in der unser Ahn es zu Wohlstand und Ansehen brachte.
Neben der Bewunderung für die wirtschaftliche Erneuerung verbindet uns noch etwas Wichtigeres mit Martin Müller II. Wenn wir in das ernste Gesicht blicken, erinnern wir uns voll Mitgefühl daran, dass seine vier Kinder in jungen Jahren gestorben sind. Da es also keine natürlichen Erben gab, regelten er und seine Frau den Nachlass in einem umfangreichen und sehr detaillierten Testament. Er stiftete Stipendien für die Ausbildung von Jugendlichen, vermachte der Kirche Ländereien, die noch heute einen Grundstock des Gemeinde-Vermögens bilden u.a.m. Das Weingut selbst erbte der Sohn eines Vetters, sein Patensohn, dessen einziges Kind dann nach 1900 Johann Tesch heiratet. Es scheint so, als seien Martin Müller II und seine Frau wegen ihres traurigen Schicksals nicht verzweifelt, sondern hätten für die Zukunft sehr kluge, soziale und weitsichtige Entscheidungen getroffen. Heute nennen wir eine solche Haltung Nachhaltigkeit. Und das ist überhaupt nicht grimmig!